top of page
IMG_5614.jpeg

WHEN COLOR BECOMES THOUGHT AND EXCITES 
MARIA WALLENSTÅL-SCHOENBERG
ANDREA B. DEL GUERCIO (PROFESSOR ART ACADEMY IN MILAN, ITALY)

I cannot ‘measure’ how much the Swedish origins, the combination of daily life and art studies, influenced or left a particular trace in the expressive story of Maria Wallenstål and in the most recent season’s works that we put together in this edition. Anyway, I must stress that the Swedish artist’s chromatic dimension, organized through thick and physical layers of color and intensified by engraved bounds, suggests a common language with Edvard Munch, Scandinavian par excellence.

From the Norwegian artist’s work, independently from the ‘underscoring’ process of the German expressionism, we notice the presence of wide and bright colored patches, defined by the enhanced shaping of a form that imposes itself in space. We have to recognize the monochromatic units’ scale in the form of snap-fit independence, which might anticipate an analytical and aniconic principle, based on reds, blues, whites and greens. Observing the 1902 canvas ‘Girls on the bridge’ reveals how much the artist was interested in emphasizing the dress physical texture through the matter of uniform strokes; a definition of monochromatic surfaces that we find, through a work-in-regress process, at the beginning of the ‘Giottesque bell’, adopted in the dark monochromes of the Bardi Chapel, (...) as well as in the 1899 canvas “The dance of life”. These features could be part of a recorded visual-linguistic heritage, built in time through unpredictable yet existing affinities in Maria Wallenstål’s work.

My first meeting with the artist’s work was in front of a collection entirely dedicated to small-size paintings; a wide white wall isolated the precious and bustling energy of a dozen color blocks, forcing the eye to chase the paintings and to look again and again, enhancing each time the short shapes shifts and “sharp” solutions. After a first look, the analysis of each single fragment revealed the plasticity of colors. Compared to large international exhibitions chaos, the installation designed by Maria Wallenstål showed a strong desire for achievement, an “emotional” determination of pictorial communication.

In the wake of the small paintings collection, from which I was fascinated and captivated, I lingered and scrutinized the dilation of colors and shapes, in the larger canvases; in this second phase, size became the beginning of an involvement, then participation and, finally, (...) a new idea of expressive vitality.

Broadened canvases, along with the energies floating and disposing on its surface, introduced the intensity of what we might call a “color wall”, even in the stratification of

whites, having lost the preciousness evoked by the small size of previous paintings. In this edition as well, we can see how the large canvases by Wallenstål can establish lots of interesting contrasts with the built environment, resulting in an open dialogue with the sizes of contemporary architecture.

It is possible to state that, bigger-sized works by Maria Wallenstål seemed to be going towards the expressive context of “joie de vivre” in its most vivid range of colours: light blues, oranges, greens and reds.

The studio in Munich, situated in an extraordinary space of artistic experimentation, represents a privileged place for successful art making, but also for its careful observation; the original structure of the barracks, with a common doorway and long corridors, the studio concentrated place, represent the habitat in which one can recognize the careful inner discretion unique to Maria Wallenstål, in the making of each one of her works. The light enters the studio through a horizontal long window-set and it is distributed along three walls destined to the works in a balanced and regular way, detailing the sequence of 'projects and sketches' arranged along the shelves. It provides the maximum extension to large- sized works, so that both yellows and oranges can explode intensively inside the shapes. This expressive process requires a focus, definitely essential to fully transform it into an experience of energy and passion. These values find a particular positioning in those rare works dedicated to the elegant succession of grays and to the plasticity of voluminous black monochromes, used to reach a whispered emotional suggestion, calm and a more introvert and thoughtful suspension.

Maria Wallenstål’s aesthetic heritage is now fully identifiable and accessible in Five Gallery exhibition space; the reserved and intimate nature of this environment allowed the installation of the works so that the visitors can engage with them in a personal and direct way and share their ode to joy, irony and pleasure, occasionally enthusiasm.

Andrea B. Del Guercio (Professor Art Academy in Milan, Italy)

DAS LEBEN DER FARBEN

Für Maria Wallenstål-Schoenberg ist die Farbe von grundlegender Bedeutung und steht im Mittelpunkt ihres malerischen Schaffens – eine Substanz, die ebenso wie Gefühle oder Gedanken elementar und flüchtig ist. Ohne sie wäre es für die Künstlerin unmöglich, sich in ihr inneres und äußeres Erleben zu versenken. Doch ist die Farbe auch eine konkrete Realität und ebenso wie die bemalte Bildoberfläche, die man sehen und berühren kann, physisch sinnfällig wie so vieles in der Welt, die uns umgibt. Der Schweizer Maler, Kunsttheoretiker und Kunstpädagoge Johannes Itten war zwischen 1919 und 1922 eines der Kernmitglieder am Bauhaus in Weimar. Während seiner dortigen Tätigkeit als lehrender Meister beschäftigte er sich mit Erkenntnissen zur Farbwahrnehmung und entwickelte seine Lehre von den sieben Farbkontrasten. In dieser Theorie fasste er die wichtigsten Aspekte der Farben hinsichtlich ihrer wahrgenommenen Wirkung zusammen: Farbe-an-sich-Kontrast, Hell-Dunkel-Kontrast, Kalt-Warm-Kontrast, Komplementär-Kontrast, Simultan-Kontrast, Qualitäts-Kontrast und Quantitäts-Kontrast. Die Simultan-Kontraste sind von Chevreuil entlehnt und die Quantitäts-Kontraste entstammen Goethes Farbenlehre von 1810. Itten betrachtete seine eigene Farbtheorie auch als eine Weiterentwicklung des Farbkreises, den der Maler und Kunsttheoretiker Adolf Hölzel entworfen hatte. Hölzel selbst war von den Farbtheorien Wilhelm von Bezolds wie auch Goethes beeinflusst. In Verbindung mit seinem Interesse am Goldenen Schnitt führte ihn dieser Weg zur Abstraktion. Wallenstål-Schoenberg ist sich der Geschichte und Wissenschaft der Farben sehr wohl bewusst – hierin liegt der Schlüssel zum Verständnis ihres technischen Umgangs mit Farbe, der ihrer intuitiven Herangehensweise an die Erkundung der Farben in ihrer Malerei zugrunde liegt. 

Zu den Künstlern, die für Wallenstål-Schoenberg von besonderem Interesse sind, gehören Joan Mitchell, Barnett Newman, Ernst Wilhelm Nay, Jerry Zeniuk und Sean Scully. Warum sie von diesen Malern angezogen wird, liegt auf der Hand: Die Gründe reichen von der Bedeutung der Farbe bis zur formenden Gestaltung des physisch vorhandenen und auf die Bildfläche aufgetragenen Farbmaterials in ihren Werken. Auch die Anhänger der monochromen Malerei Phil Sims und Marcia Hafif wecken aufgrund ihrer intensiven Beschäftigung mit Bildern, die nur in einem Farbwert gehalten sind, ihr Interesse. Bezeichnenderweise birgt jedoch die monochrome Malerei an sich keinen Schaffensanreiz für Wallenstål-Schoenberg. Sie glaubt daran, dass eine Farbe einer anderen bedarf, um eine Beziehung zu schaffen, dass eine Farbe allein »verloren« erscheint ohne zumindest eine weitere Farbe, auf die sie sich beziehen kann und die ihr eine gewisse »Orientierung« bietet. 

Nachdem sie seit 1995 in Öl gearbeitet hatte, verwendete Wallenstål-Schoenberg nach ihrer Übersiedlung von Ulm nach München im Jahr 1999 zunächst nur noch Acrylfarben. In Ulm war ihr Lehrer Klemens Etz gewesen, und dort hatte sie 1998 auch ihre erste Einzelausstellung. In München legte sie zunächst eine Malpause ein. 2003 nahm sie die Arbeit im Atelier wieder auf und lernte auch Jerry Zeniuk kennen, der damals Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München war. Anfänglich trug sie die Acrylfarben – Künstlerfarben von Lascaux sowie selbst angemischte Pigmente – auf Holz und später in Schichten auf Leinwand auf, um eine substanziellere Oberfläche zu erzielen. Schließlich kehrte Wallenstål-Schoenberg um 2006/2007 zur Ölfarbe zurück, da sie deren Eigenschaften erneut nutzen wollte.

Wie sie es heute noch tut, legte sich die Künstlerin nur wenige verschiedene Farbtuben der Firma Schmincke zu. Die Farben in ihren Gemälden sind das Ergebnis sorgfältigen und ausführlichen Mischens, sowohl auf der Palette – wo die Farben individuell modifiziert und aufeinander abgestimmt werden – als auch auf der Leinwand selbst, wo der Prozess sich fortsetzen kann. Ein neues Gemälde beginnt manchmal mit Farbe aus einem bereits vollendeten Werk, und während die Arbeit am neue Gemälde fortschreitet, werden der Palette weitere Farben hinzugefügt. Diese erste Verwendung einer zufälligen und nicht »geplanten« Farbe ist befreiend – eine frische und unmittelbare Inspiration, frei von jeder vorgefassten Absicht. Die Gemälde sind in Schichten aufgebaut, ein Verfahren, das die Künstlerin aus ihren frühen Aquarellarbeiten übernommen hat. Tatsächlich ist ihr Bestreben, die Spontaneität und Lebendigkeit des Aquarells beizubehalten, in ihren späteren Gemälden in Acryl und Öl sichtbar geblieben. Hier bietet sich ein Vergleich mit Cézanne an, dessen Maltechnik ebenfalls von seiner Erfahrung es Malens mit Wasserfarben geprägt war. Um ihre Farbpalette festzulegen, tritt Wallenstål-Schoenberg jeweils vier oder fünf Meter von der Leinwand zurück, was ihr erlaubt, den Fortschritt des Bildes aus der Entfernung im Blick zu behalten, wann immer eine neue Farbe hinzugefügt wird. Auf diese Weise lässt sich jederzeit und losgelöst vom Vorgang des Farbauftrags der Zustand eines Bildes visuell bewerten. Die jeweiligen Farbpaletten sind bereits für sich genommen ein faszinierendes Dokument des Denkens mit Farbe. 

Anders als etwa Paul Klee vertritt Wallenstål-Schoenberg keine Theorie zur spirituellen Bedeutung formaler Beziehungen in der bildenden Kunst, doch steht sie den verschiedenen Bedeutungen, die der Betrachter bei der Begegnung mit ihren Gemälden finden mag, oder den verschiedenen Gefühlen, die sich dabei einstellen, offen gegenüber. Diese Art der Rezeption ist analog der Musikrezeption zu sehen – die Eindrücke erfolgen unmittelbar, und die Künstlerin hat sogar den Begriff »Farbklang« verwendet, um die Wirkung ihrer Gemälde zu beschreiben. Wie in der Musik ist auch hier der Rhythmus wichtig, da die Teile einerKomposition über die Oberfläche des Gemäldes hinweg in Wechselwirkung miteinander treten. Das Bild zu erleben, heißt nicht, sich auf die Kunstgeschichte oder auf formale Kriterien der Malerei zu verlassen. Jedem Menschen steht es frei, auf ihre oder seine Weise zu reagieren – dieser Meinung war schon der scharfsinnige Maler und Kunsttheoretiker Josef Albers: »Die Farbe ist das relativste Medium in der Kunst.« Gleichzeitig ist die Farbe auch das flüchtigste visuelle Element, der subjektivste Aspekt der Wahrnehmung, der sich nur schwer definieren oder überhaupt fassen lässt und stets sensibel sowohl auf ein verändertes materielles als auch auf ein verändertes inneres psychologisches Umfeld reagiert. Die Werke der Künstlerin vermeiden die reduzierte programmatische Einengung von Max Bills »Konkreter Kunst« zugunsten einer intuitiven Suche, bei der die Kanten der gemalten Formen akzeptiert und einbezogen werden. Denn an den Kanten der Farbfelder entstehen durch die vielen Farbschichten Spuren von bereits aufgebrachten Farben, die sichtbar bleiben und nachträglich Einblick in die Entscheidungen der Künstlerin gewähren. Sie sind wesentlich für das vollendete Gemälde.

Ein kleines Aquarell, das Wallenstål-Schoenberg 1995 im italienischen Montecatini schuf, veranschaulicht trefflich die Ursprünge ihres Schaffensprozesses. Dieses Bild einer Baumgruppe beinhaltet Farbsegmente, die einander überlappen und in Schichten übereinander aufgetragen wurden, um neue Farbtöne zu erzeugen. Die Komposition hält Abstand zum beschnittenen Rand des Papiers. Daher gewähren die Ränder Sicht auf die zuvor aufgetragenen Farben in ihrem Aufbau, ganz ähnlich den Rändern der farbigen Formen in den späteren Arbeiten der Künstlerin – ein Verfahren, das an Cézannes Ansatz erinnert. Das Streben nach einer intuitiven und unmittelbaren Bildkonstruktion, ein charakteristisches Merkmal des Aquarells, behält Wallenstål-Schoenberg in ihren Ölgemälden bei. Die Farbe wird in Schichten aufgebaut, und die Formen treffen aufeinander und werden – wie gleichzeitig die Farben – durch andere Formen modifiziert.

Mehrteilige Gemälde – dazu gedacht, in ihrer Gesamtheit gesehen zu werden, etwa UntitledPolyptych(2005, Seite 52 – 18 4 13KK Skizze) – kehren in Wallenstål-Schoenbergs Œuvre häufig wieder. Die genannte Arbeit besteht aus Acrylfarbe auf Holzpaneelen und erinnert an Matisses farbige Glasfenster für die Rosenkranzkapelle von Vence. Die vertikalen Segmente korrespondieren rhythmisch miteinander in horizontalen Synkopen. Während Matisse die Farbe und das Licht des Mittelmeerraums verwendet, ähnelt das Licht Wallenstål-Schoenbergs dem Licht des Nordens: grau getönt, mit weniger Kontrast und Schatten, während die Farben im Ton näher miteinander verwandt sind. Die fünf Paneele sind in zwei Gruppen angebracht. Der Raum zwischen den beiden Paneelen zur Linken ist kleiner als die Lücken zwischen den dreien zur Rechten, was das Werk asymmetrisch erscheinen lässt – auch in vielen anderen ihrer Werke ist Asymmetrie ist ein fester Bestandteil. Cycle Colorsound(2014, S. 58-18 4 13KK Skizze) repräsentiert einen anderen Themenstrang – einen von mehreren, zu denen sie im Lauf der Jahre zurückkehrte. Hier gibt es ebenfalls wiederholte Formen, die niemals identisch sind. Wie die rechteckigen Sektionen in Untitled Polyptychvon 2005 (S. 52-18 4 13KK Skizze) entwickeln sie sich aus einer Farbschicht zur nächsten, einer Farbe zur nächsten. Alles in dem Gemälde steht in Beziehung zu allem anderen und reagiert auf alles andere. Die Formen zeigen sich in dynamischer Ausgewogenheit, fallend oder schwebend oder beides. Mehrere Farben – Blau, Orange, Rot und Grün – werden aufgegriffen, wenngleich die Tönung niemals dieselbe ist. Es ist, als lausche man verschiedenen Sätzen eines Musikstücks, die in Variationen wiederholt werden. Am Rand der Formen sind immer andere Farben sichtbar, und das gebrochene Weiß des Bildgrundes ist ebenfalls mit schwunghaft-energischen Strichen eines Palettenmessers aufgetragen worden, so dass kein Teil der Leinwandoberfläche unbehandelt bleibt. 

Cycle As Black As It Gets(2018, S. 109 – 18 4 13KK Skizze) – ein Ölgemälde auf Leinwand aus einer anderen Werkgruppe – ist vorrangig mit der Farbe Schwarz befasst. Die Formen beziehen sich auf jene der Colorsound-Serie. In diesem Gemälde im Querformat balancieren zwei Gruppen aus drei Formen quer über die Leinwand, während andere Farben unter der letzten Schicht an ihren Kanten auftauchen. Untitled(2018, Seite 25 – 18 4 13KK Skizze + Schutzumschlag) zeigt eine isolierte und unregelmäßig geformte blaue Scheibe, an deren Rändern Orange zu sehen ist. Sie ist von gebrochenem Weiß umrändert, das an seinen äußeren Kanten das Viereck der Leinwand ungleichmäßig berührt und ebenfalls einen darunter liegenden orangen Farbton offenbart. Die Scheibe – sie tendiert zum Oval, auf das sie verweist, aber dessen Form sie nicht erreicht – endet kurz vor der Leinwandkante. 

Wallenstål-Schoenbergs Gemälde aus den Jahren 2017/2018 zeigen eine Vielfalt gestischer Markierungen durch das Palettenmesser, die in ihrem Verbund die Formen gestalten oder verbergen, manchmal einheitlich über die gesamte Komposition hinweg, zu anderen Zeiten stärker untereinander in Beziehung tretend. Dieser Weg zu einer mehr gestischen Gestaltung begann schon 2007 – zu einer Zeit, als die Künstlerin an ihren auf der Form aufbauenden Kompositionen arbeitete –, wurde jedoch erstmals um 2016 ausgestellt. Diese aktuelleren Gemälde stehen auch in enger Verbindung mit den früheren Aquarellen. In dem Diptychon Untitled(2018, S. 98- 18 4 13 KK Skizze) wurde die Ölfarbe mit dem Palettenmesser über die Oberfläche verteilt, wobei Teile der Untermalung noch durchscheinen und das grobe Leinen an den Kanten unbemalt blieb. Dieses Werk zeigt alle Eigenschaften der individuellen Formen der vorhergehenden Gemälde, doch nun ist das Rechteck des Gemäldes selbst die Form. Das Gemälde enthält zwei Formen – die linke ein Quadrat, die rechte ein Rechteck – und zeigt eine unterschiedliche Farb- und Lichtgebung über dem Bildraum, der sie trennt, so dass die Formen in dem Gemälde zu wirklichen konkreten Formen werden. Wallenstål-Schoenbergs Gabe, mit einer Komposition oder Farbkombination nach der anderen erstaunliche Alternativen und neue Manifestationen zu schaffen, ist für das Bestreben der Künstlerin bezeichnend, bei ihrer unablässigen Erforschung der Farbe dem Gefühl und der Intuition ebenso zu folgen wie dem Intellekt – ein Prozess, der offensichtlich keineswegs abgeschlossen ist.


Aus dem Englischen von Ingrid Hacker-Klier

.

.

bottom of page